Nur ein Stein - Kapitel V.

Veröffentlicht auf von Karoma

Ruhigen Schrittes und die Umgebung noch immer genau betrachtend, führt es die Kriegerin weiter Richtung Süden, die Hänge hinab, näher an den Fluss heran, bis zu einer alten Brücke. Die Bretter zum Teil morsch oder gar gebrochen, scheint die Brücke alles andere als robust zu sein. Die Kriegerin lässt sich am Ufer des Flusses nieder und schmeißt einige kleine Steine ins Wasser. Ab und zu werden Blätter und Äste vorbei geschwemmt, die der reißende Fluss von den Ufern mit sich nahm. Die Sonne senkt sich langsam und taucht das Land in ein vollkommen anderes Licht. In den Hügeln auf der anderen Flussseite sind einzelne Ansiedlungen zu sehen, aus denen Rauchwolken von Feuerstellen aufsteigen. Es sind die Ansiedlungen der Pikten, die sich auf der westlichen Seite des Flusses mehr und mehr ausbreiten, so wie im Osten die Söldner.

„Nevio, wir sollen nicht so weit vom Dorf weg. Außerdem ist Lira bestimmt bald fertig mit ihren Aufgaben. Ich habe ihr versprochen, dann wieder da zu sein.“, ruft Ralena ihm, mit ihrer rauen Stimme, nach, während er ihre Hand hält und sie immer weiter mit sich zieht, immer weiter in die Hügel auf der westlichen Seite. „Ich pass schon auf dich auf, Lena. Und Lira wird sich schon zu beschäftigen wissen mit ihren fast 15 Sommern. Also komm. Ich will dir was zeigen, was ich entdeckt habe.“
Die Sonne neigt sich immer weiter Nevio läuft an Ralenas Seite, hält noch immer ihre Hand und verschränkt seine Finger mit den ihrigen. „So leicht geh ich schon nicht verloren, Nevio. Du musst mich nicht die ganze Zeit festhalten.“, grinst sie ihn an. „Ich habe deinem Vater versprochen, auf dich aufzupassen und das mach ich auch, selbst wenn ich dafür wie einen Sack über die Schulter schmeißen und tragen muss.“, lächelt er sie an. Ralena betrachtet ihn lächelnd und drückt kurz seine Hand, folgt ihm auch weiter. Der junge Mann an ihrer Seite, von vielleicht neunzehn oder zwanzig Sommern, hatte sich zu einem Mann entwickelt. Ein kleiner Kinnbart ziert sein Gesicht, dessen Mittelpunkt die haselnussbraunen Augen bilden, mit denen er immer wieder zu Ralena blickt. Sein Körperbau kräftig und sehnig, ebenso wie seine Hände, gekräftigt durch die Jagd und die gelegentliche Holzfällerei. So wirkt Ralena mehr als schmächtig und schlacksig ihm gegenüber, wenn sie auch ebenso groß ist, wie er. „So, würdest du also?“, grinst sie ihn herausfordernd an, löst ihre Hand aus seiner und läuft lachend in die bewaldeten Hügel. Im ersten Moment etwas perplex, ob ihrer Davonrennens, besinnt Nevio sich und eilt ihr, ebenfalls lachend, nach.

Geschickt und flink rennt Ralena um die Bäume herum und springt über den ein oder anderen Baumstumpf. „Wie ich schon immer sagte, du hättest ein Reh werden sollen.“, ruft er ihr lachend nach, verliert aber mehr und mehr den Anschluss an sie. Als sie gänzlich aus seinem Blickfeld verschwindet, hält er inne und schaut sich suchend um. „Ralena, lauf nicht so weit, du kennst dich hier nicht aus!“ Seine Stimme hallt, mit besorgtem Unterton, durch den Wald, eine Antwort erhält er jedoch nicht. Er blickt auf den Boden, um nach Spuren von ihr Ausschau zu halten, denen er dann mit bedachtem Schritt folgt.
Ralena bleibt nach einer Weile, außer Atem, stehen und sieht sich suchend um. „Verdammt!“, murmelt sie leise zu sich, geht dann langsamen Schrittes und mit suchendem Blick weiter. Zwischen den Bäumen tut sich nach einer Weile, zunächst nur schwer erkennbar, ein altes Gemäuer auf. Als es sich vor ihrem gesamten Blickfeld erstreckt, bleibt sie bar jeder Worte, ob der Ausmaße, stehen und schaut auf das Gemäuer, das von Moos bedeckt und von Ranken bewachsen, vor ihr in die Höhe ragt.
Nevio bleibt schmunzelnd an der Stelle stehen, an der Ralena sich eben ausgeruht hat. „Orientierung war noch nie deine Stärke, mein Reh.“, spricht er leise zu sich und folgt dann weiter ihren Spuren.

„Ist es heute noch nicht, Nevio.“ Die Kriegerin reibt sich über den Nasenrücken und grinst dann schief. „Wenn du wüsstest...“, spricht sie leise zu sich, zieht die Knie an ihren Körper, soweit es die Rüstung zulässt, und lehnt sich dann über Selbige, blickt fast verträumt auf den Fluss und wirft weiter kleine Steine in das Wasser.

Eine kräftige Hand packt an Ralena's Hüfte, dreht sie herum. Sogleich liegt auch die zweite Hand an der Hüfte, hebt Ralena hoch und im nächsten Moment, noch ehe sie reagieren kann, hängt sie, wie ein eben geschlagenes Wild, über Nevio's Schulter. „Japp. Würde ich und mache ich auch.“, grinst er, sichtlich zufrieden. Ralena schnappt nach Luft und versucht sich, nach dem Schrecken, zu besinnen. „Wahh.. verdammt! Du sollst mich doch nicht so erschrecken!“, fährt sie ihn an und fängt an rumzuzappeln, was ihm sichtlich Schwierigkeiten bereitet sie zu halten. Er stellt sie dann wieder auf die Beine, stubst ihr auf die Nasenspitze und schmunzelt sie an, als sie ihn mit fast schon trotzigem Blick anschaut und ein leises Knurren ihre Stimmbänder verlässt. Er hebt seine Hand, streicht ihr über die Wange, lässt die Hand dann dort ruhen und blickt sie liebevoll an. Ralena's trotziger Blick weicht einem leicht verträumten, der seinen Blick erwidert, dann lächelt sie ihn an.

„Deine Orientierungskünste verwirren mich...“, grinst er, als er seinen Blick von ihr auf das Gemäuer richtet. „Das hier wollte ich dir zeigen.“ Ralena richtet ihren Blick ebenfalls zu dem Gemäuer. „Das ist riesig.“ Nevio nickt und legt einen Arm um ihre Schulter, zieht sie sacht zu sich. „Ich habe mit dem alten Mütterchen gesprochen. Sie meinte, dass es eine der größten acheronischen Ruinen hier auf dem Landstrich sei. Sehen wir es uns näher an?“ Ralena blickt zu ihm und nickt, geht dann mit ihm auf die Stufen zu, die in das Innere der Ruinen führen. Ihre Nasenspitze wackelt immer wieder leicht, als sie an den mauern hoch blickt und seinen Worten lauscht, mit denen Nevio versucht, ihr das alles hier näher zu erklären. Am Ende des flur- oder gangartigen Weges, dessen Boden aus Erde und Moos besteht, sind erneut Stufen, die durch einen Torbogen nach oben führen. Der erste Blick, der sich den Beiden in den Hof bietet, als sie am Ende der Stufen angelangen, lässt Ralena wortlos dastehen. Vereinzelt fallen die rot-gelblichen Lichtstrahlen der untergehenden Sonne durch das Blätterdach der hohen Bäume, die in und um die Ruinen herum gewachsen sind. Überall auf den alten Gemäuern, auf denen Schriftzeichen und Zeichnungen eingmeißelt sind, hat die Natur sich freien Lauf gelassen. Gräser, Ranken, Moose in den verschiedensten Grüntönen, vereinzelte Blüten, zieren das an sich karge und graue Gemäuer. Die Mitte des Unterhalb, wie in einer Senke liegenden, Hofes, bildet eine Anreihung von Mauern, die äußerst verwirrend wirkt.

„Mütterchen meinte, dass das in Labyrinth sei. Also nichts für dich, mein Reh. Du würdest da wohl nicht mehr rausfinden. Er lächelt sie an und blickt dann wieder in den Hof. „Ich selbst werde da aber auch nicht hinunter gehen. Da treibt sich etwas herum, das mir nicht geheuer ist.“ Er hebt seine linke Hand und deutet auf Etwas, das sich zwischen den Mauern bewegt. Aus der Ferne betrachtet wirkt es abgemagert, buckelig und kahlköpfig, es zieht seine Beine mehr nach sich, als das es aufrecht geht.
Nevios Blick richtet sich dann zum Himmel. „Wir sollten und einen sicheren Platz für die Nacht suchen. Vor Einbruch der Dunkelheit schaffen wir es nicht mehr aus dem Wald, geschweige denn bis zum Dorf zurück. Ralena seufzt leise, bei seinen Worten, nickt ihm dann zu. „Dann immer voran, Jägersmann.“, grinst sie ihn schließlich an.

Nach einer Weile des Suchens deutet Nevio eine Mauer hinauf, die vielleicht doppelt so hoch wie er groß ist. „Da kommt so leicht nichts hoch und ich kann alles überblicken. Warte, ich kletter vor.“ Kaum das er seine Worte ausgesprochen hat, greift er mit den Händen an die von Ranken bewucherte Mauer und klettert hinauf. Oben angekommen verschwindet er kurz aus Ralena's Blickfeld, schaut dann aber glich darauf zu ihr hinunter. „Der Posten ist gesichert. Hier könnt Ihr nächtigen, meine Dame.“ Grinsend streckt er ihr eine Hand entgegen und hilft ihr beim hinauf klettern. „Tu nicht so höflich, das bist du sonst auch nicht.“, erwidert sie grinsend, als sie hoch klettert.
Nevio setzt sich auf die Mauer, die vielleicht eineinhalb Schritt breit ist und obenauf deutlich weniger mit Moos bewachsen ist, deutet Ralena an, sich vor ihn zu setzen, dem sie wortlos Folge leistet. Er legt die Arme um sie und zieht sie etwas näher an sich, beugt sich dann leicht zur Seite und küsst sie sanft auf die Wange. „Und nun ruh dich aus. Wir brechen gleich im Morgengrauen auf. Ich behalte die Umgebung im Auge.“ Ralena wendet ihr Gesicht dann zu ihm, so dass ihre Nasenspitze seine berührt und schaut ihm in die Augen, deren Blick ruhig auf ihr liegt. Lächelnd legt sie ihm einen sanften Kuss auf die Lippen, den er zärtlich erwidert. „Danke, Nevio...“ „Wofür?“ „Such es dir aus.“, schmunzelt sie, lehnt sich dann an seine Brust und schließt die Augen. Er schüttelt schmunzelnd den Kopf und schließt schützend die Arme um sie.

Im Morgengrauen löst Nevio die Umarmung und streicht ihr vorsichtig durch ihr Haar. Ralena's Nasenspitze zuckt kurz, dann bewegt sie sich leicht, aber scheinend nur, um sich sogleich wieder an Nevio zu lehnen. Er grinst leicht und betrachtet sie, streckt sich dann die Müdigkeit, der einseitigen Sitzhaltung, aus den Knochen, was Ralena dann doch erwachen lässt. Sie blickt ihn aus verschlafenen Augen an, lächelt müde und ihr Magen knurrt laut hörbar. „Also gut, das war nun gefährlich laut.“, lacht er auf und tippt mit einem Finger auf ihren Bauch. „Zeit heimzukehren...“ Ralena grinst schief und nickt ihm zu.

„Zeit heimzukehren, ja...“ schmunzelt die Kriegerin leise zu sich, wirft noch einen kleinen Stein ins Wasser und erhebt sich dann. Ihr Blick richtet sich kurz nach Westen zur untergehenden Sonne, sich selbst zunickend, geht sie dann wider, die Hänge und die Umgebung mit aufmerksamen Blick betrachtend, den Pfad Richtung Norden.

Veröffentlicht in Ralena [RP]

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