Selbstbeherrschung

Veröffentlicht auf von Karoma

"Eine Tugend, die nicht viele ihr Eigen nennen, ist sie doch zumeist von Gefühlen geprägt und so nur schwer zu wahren."                    



Schon vor einer ganzen Zeit hatte sie Khemi den Rücken gekehrt. Khemi, Stadt der spitzen Zungen und Dolche, das hatte sie sie in der kurzen Zeit, die sie dort verweilte mehr als einmal zu spüren bekommen. Über das Gerücht, dass sie mit einem Pakt im Bunde stehen würde, über die ein oder andere Klinge an ihrem Hals, bis hin zu den anzüglichen Dingen die ihr Tag für Tag entgegen geworfen wurden, hatte sie alles versucht an sich abprallen zu lassen. Doch schürrte es ihren Zorn Tag um Tag mehr, brachte sie beiweilen soweit, dass sie ihr Gegenüber den Flammen Arallus übergeben wollte.

Sie musste lernen sich zu beherrschen, sich auf ihre Bestimmung zu konzentrieren, die in Arallu auf sie wartete und ihren flammenden Zorn unter Kontrolle zu halten. Aber gerade das hier in Khemi zu erlernen schien ihr bis kurz vor ihrer Abreise nahezu unmöglich. So beschloss sie nach Arallu zurückzukehren, ihrem Glauben und ihrer Bestimmung zu folgen.


„Ich werd ne Weile auf's Meer fahren.“
„Zum Fischen, nehm ich an?“, fragte Barevio sie.

„Nein, einfach nur das Meer, mein Kahn und ich... kein Fischen und auch sonst nichts.“, entgegnete sie ihm ruhig. „Einfach raus hier aus Khemi.“

„Dann geh doch nach Bubshur.... eben fischen und so. Aber nicht aufs Meer.“

„Warum nich? Vielleicht find ich ja auch was neues wo ich dann erstmal bleib.“

„Ja aber wenn dich die Fische anknabbern.. oder du in einem Käfig landest? Wenn du da alleine in deim Kahn rumsegelst und Sklavenhändler vorbeikommen, die kommen nicht um dir frisches Wasser zu bringen“

„Wenn die Fische mich anknabbern, dann soll es eben so sein und glaub mir, in Ketten legen lass ich mich bestimmt nicht, dass hat man einmal versucht.“ Ein Hauch von Gleichgültigkeit lag in ihrer Stimme. Sie wollte einfach nur weg, aber nicht ohne etwas zu sagen, dass war sie Barevio und den anderen schuldig. Wahrscheinlich würden sie sich wohl auf die Suche nach ihr begeben, wenn sie einfach so verschwand.

„Eh...wir sind hier um meinen letzten Abend hier zu feiern.“, grinste sie ihm entgegen und trank die Flasche Wein, die schon im Verlauf des ganzen Gespräches an ihrer Seite verweilte, aus. Auf dem Weg in Richtung Schlangenkopf begegneten sie Nymor, den Karoma sogleich überschwenglich und leicht angetrunken begrüßte und mit einlud. Barevio sah mit besorgtem Blick zu, wie Karoma im Zuge des vielen Weines immer heiterer wurde und sie versuchte die Geschehnisse der letzten Tage ins Lächerliche zu ziehen, als hätten sie sie nicht im geringsten berührt. Irgendwann in den frühen Morgenstunden verließ Karoma dann den Schlangenkopf, schlief sich ihren Rausch bei den Fischernetzen aus und machte sich dann am nächsten Tag auf um die letzten Vorbereitungen zu treffen, damit sie bald abreisen konnte.

Sie brachte Barevio die Robe zurück, die er ihr vor kurzem für ein Geschäftsgespräch geliehen hatte. Daraus resultierte erneut ein langes Gespräch über die weiteren Vorhaben der beiden, noch einmal versuchte er, ihr die Schiffsreise auszureden, dass es doch reichen würde wenn sie nach Bubshur zurückkehren würde. Er sagte ihr, dass er sie vermissen würde, dass sie ja zurückkehren solle und das sie nur etwas sagen bräuchte, so sie denn seine Hilfe bräuchte. All das und der Glücksbringer, die Halskette seiner Mutter, waren fast in der Lage, sie von ihrem Wege abzubringen und ihm zu sagen, dass sie nicht wirklich aufs Meer hinaus fahren würde, sondern nach Arallu reist.

Ein Blick in ihre Augen, ließ ihn wissen das es ihr nicht gut ging. Die beiden gingen an nach diesem Gespräch mit dem Versprechen auseinander sich hier wieder zu treffen.


Sie wartete bis die Dunkelheit eingebrochen war und machte sich dann auf den Weg zu dem Höhleneingang, der sie zu ihrem Herrn führte. Langsam durchschritt sie die dunklen Gänge, sie schloss die Augen halb, ließ die wärme der Feuer auf sich wirken. Längst machte ihr die Hitze hier unten nichts mehr aus, hatte sie doch schon so viele Wochen hier verbracht. Ihr Blick glitt über die Bücher in der riesigen Bibliothek, nahezu als würde sie nach einem der Bücher suchen, das sie noch nicht studiert hatte. Sie folgte den Gängen weiter, bis sie vor dem Altar stand auf dem das Feuer Arallus brannte, kniend davor wie so oft, die große Gestalt, in einen Mantel gehüllt. Noch ehe sie etwas sagen konnte, erhob er seine kalte Stimme. „Du bist also wieder zurück.“ Karoma kniete sich sogleich nieder vor ihm, senkte den Blick gen Boden. „Ja, Herr.“ „Sieh mich an...“ Langsam hob sie ihren Blick, um seinem Geheiß zu folgen, lange blickte er ihr in die Augen. „Du hast noch zu viel zu lernen, Mädchen. Deine Mutter hatte mir zugesagt, dass du stark genug wärest für neue Prüfungen. Dem scheint mir nicht so wenn ich in deine Augen blicke. Sie sind getrübt, die Flammen kaum ersichtlich.“ Beschämt senkte sie ihren Blick. „Ihr habt recht, Herr.“ „Du hast zu oft fast die Beherrschung verloren... besinne dich dessen, was du bist. All die Frevler, werden den Flammen noch früh genug zugeführt um ihre Strafe zu erhalten, aber das soll nicht deine Aufgabe sein.“, raunte er ihr kalt entgegen und ließ sie dort allein knien. Nach einer Weile des Besinnens erhob sie sich langsam und ging mit bedachtem Schritt auf den Altar zu. Sie richtete ihren Blick in die Flammen, löste mit einer Hand den Dolch von ihrem Gürtel und hielt ihn in die Flammen. Sie schloss ihre Augen, legte den heißen Dolch in ihre linke Handfläche und umschloss die Klinge dann mit ihren Fingern.

„Schmerz ist nur ein Gefühl, das dir zeigt, dass du noch lebst. - Ich fühle keinen Schmerz, mein Leben sind die Flammen, erst wenn diese erlischen, soll es enden.“, begann sie wie in Trance zu sprechen. „Angst ist ein Gefühl, das dich deiner Kräfte beraubt. - Ich fühle keine Angst, ist es doch die ewige Flamme Arallus, die mich schützt. Zorn, ein Gefühl, fähig einen kleinen Funken zu einem Feuer zu entfachen. - Dieses Feuer werde ich wahren und wissen es einzusetzen, im Respekt vor den Flammen Arallus, mit dem Stolz Teil jener zu sein.“ Unerbittlich sprach sie die Worte immer und immer wieder, immer leiser werdend, bis ihre Lippen nur noch stumme Worte formten. Irgendwann öffnete sie ihre Augen wie auch ihre linke Hand, richtete ihren Blick auf das verbrannte Fleisch in ihrer Handfläche. „Durch und mit den Flammen Arallus.“ Langsam bildete sich in ihrer linken Handfläche eine kleine Flamme, die hell aufleuchtete, als Karoma ihr Gelübde wiederholte.

„Übereile nicht, mein Kind...“ Karoma zuckte zusammen, die Flamme in ihrer Hand erlosch und sie wendete sich langsam der ruhigen Stimme zu. „Du sagtest ihm ich sei stark genug, Mutter, ich habe euch beide enttäuscht. Es wird Zeit, dass ich es euch beweise. Ich bin eine würdige Dienerin der Flamme.“ „Ich weiß, dass du würdig bist.“, entgegnete Mayati ihr mit einem ruhigen Lächeln. „Doch wenn du übereilst, wirst du die Flammen nicht bändigen können, wirst dich nicht mit ihnen einen können.“ Mayati wählte ihre Worte wie immer mit Bedacht, begutachtete ihre Tochter mit einem mütterlichen Blick und führte sie nach einer Weile von dem Altar herunter, in Richtung der Bibliothek.

In den folgenden Tagen lehrte ihr Mutter ihr viel, doch auch Prüfungen standen ihr immer wieder bevor. So schürte ihr Herr ihren Zorn immer wieder bis ins Unermessliche und immer wieder versagte sie, immer wieder gab sich sich ihrem Zorn hin und verlor die Beherrschung. Er schaffte es, sie so sehr zu erzürnen, dass die Feuer sie gänzlich einnahmen und umhüllten.

„Verlasse diese Hallen und kehre nicht eher wieder, ehe du deine Beherrschung gefunden hast und es schaffst, mir mit eben jener gegenüber zutreten.“, fuhr er sie kalt an. „Ja, Herr.“, entgegnete sie ihm leise mit gesenktem Blick. „Blick mir in die Augen, damit ich sehen kann, ob du die Wahrheit sprichst.“, schrie er sie an, legte ihr eine Hand um den Hals und hob sie mit Leichtigkeit hoch, so dass sie mit ihm auf Augenhöhe war. „Ja, das werde ich, Herr. Mit und durch die Flammen Arallus.“ Sie blickte ihm in die Augen und wagte es nicht sich auch nur im geringsten zu wehren, hatte sie sein Gemüt doch scheinends schon genug erzürnt.


Genauso wie sie im Schutze der Dunkelheit gegangen war, kehrte sie nach einigen Tagen auch wieder zurück nach Bubshur. Ihr Blick wanderte zuerst den Strand entlang, an dem ihr Kahn lag, es waren keine Netze an Land, also konnte sie in einigen Stunden mit ihrem Vater aufbrechen, nachdem sie ihm von ihrer Reise berichtet hätte, um den Fisch einzuholen. Sie nickte sich selbst zu und ging zu dem kleinen Haus, das sie ihr zu Hause nannte. Leise öffnete sie die Tür, um ihren Vater noch nicht zu wecken, brauchte er seinen Schlaf doch, um bei Kräften zu bleiben. So nahm sie sich ihre Arbeitskleidung und legte jene auch sogleich an, richtete ihr Kopftuch und wartete in der kleinen Wohnstube vor dem Kamin darauf das ihr Vater erwachte, bereitete ihm schon einmal seinen Tee zu. Die Zeit verging schnell und langsam wunderte sie sich, dass ihr Vater nicht aufstand, also schob sie langsam den Vorhang zu der kleinen Schlafnische, mit einem Becher Tee in der Hand, zur Seite und stand vor einem leeren Schlafplatz. „Vielleicht is er nur wieder mit einem der andren Fischer versackt und ist nun schon beim Kahn.“, sagte sie sich leise, stellte den Becher beiseite und begab sich hinunter zum Strand. An ihrem Kahn war er nicht und auch am restlichen Abschnitt dieses Strandes nicht. Etwas Weiter in der Ferne, dort wo das Schiff nach Khemi lag, waren einige Fischer ihre Kähne am vorbereiten. Ihre nächtlichen Gespräche verstummten, als die junge Stygierin an sie herantrat und sie mit einem frechen Grinsen begrüßte. „Habts ihr meinen Vater geseh'n?“ Einer der Fischer trat auf sie zu und bat sie ein Stück weit mit ihr zu gehen. Sie willigte ein, lies ihren Blick aber auch weiter suchend an den Zelten und dem Strand vorbeischweifen. Sie nickte nur langsam bei den Worten des Mannes, lief schnellen Schrittes zu ihrem Kahn, schob ihn sogleich ins Wasser und ruderte los.

In der nächsten Nacht kehrte sie zurück, mit ihr auf dem Kahn, zwei halbvolle Netze. Niemand wusste, was sie genau dort draußen tat, aber jeder wusste aus welchem Grunde sie dort war.


Veröffentlicht in Karoma [RP]

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